Missbrauch in der katholischen Kirche

Die Aachener Nachrichten (AN) thematisierte den “Missbrauch in der Kirche“ als Hauptthema auf Seite 3 der Mittwochsausgabe vom 13.November 2019.[Quelle]

Hierzu wurde sehr empathisch der Leidensweg eines mittlerweile 57 Jahre alten Missbrauchsopfers geschildert, der in den Jahren 1972/1973 als 11 Jähriger Junge mehrfach vom Gemeindepfarrer missbraucht wurde.

Der Täter, zwischenzeitlich verstorben, hatte sich auch an weiteren Knaben vergangen. Trotz Verurteilung durch das LG Krefeld im April 1978 zu einer einjährigen Freiheitsstrafe, ausgesetzt auf Bewährung, durfte der “ kriminelle Seelsorger“ weiter im Aachener Bistum seiner Berufung nachgehen.

Das dem Verbrecher im Talar überhaupt der Prozess vor einem „weltlichen Gericht“ gemacht wurde ist einer Zeugin zu verdanken. Sie hatte die Übergriffe an dem Knaben zufällig entdeckt und die Eltern informiert. Diese zeigten den Pfarrer an und von der Staatsanwaltschaft wurde ein Ermittlungsverfahren als Offizialdelikt eingeleitet. Mit der Verurteilung des Täters (auf Bewährung) verließ der Pfarrer seine Wirkungsstätte und wurde andernorts im Zuständigkeitsbereich des Aachener Bistums eingesetzt. Die

“Schäfchen der Pfarrgemeinde“ wunderten sich wegen des schnellen Abgangs ihres Pfarrers, wurden aber ahnungslos gehalten.

In der Folgezeit, so bestätigt es aktuell der Bistumssprecher Stefan Wieland, meldeten sich in den Jahren 1991 und 2003 zwei andere “Betroffene“ und erhoben Vorwürfe, die aber nicht zu Gerichtsverfahren führten. Ebenso in den Jahren 2011 und 2019 berichteten zwei weitere “Betroffene“ von Vorfällen.

Zwischenzeitlich hat das im Leitartikel genannte Opfer auf Empfehlung einer Beratungsstelle Kontakt zum Missbrauchsbeauftragten des Bistums, Herbert Dejosez, aufgenommen. Generalvikar Frick teilte dem Opfer vor einigen Monaten mit, dass ihn das Bistum als “Betroffener eines Missbrauchsfalles“ anerkannt habe.

„In Anerkennung des Leids“ und als „freiwillige, materielle Leistung“ erhielt das traumatisierte Opfer einen kleinen vierstelligen Betrag.

Kommentar:

Offenkundig hat die katholische Kirche ein massives Problem im Umgang mit sexuellem Missbrauch Minderjähriger durch Priester und Ordensleute, insbesondere mit Knaben. Die Auswertungen tausender Personal- und Handakten aus 27 deutschen Diözesen ergaben, dass mehr als die Hälfte der Opfer zum Tatzeitpunkt maximal 13 Jahre alt waren.

Alleine dem Bistum Aachen sind nach eigener Aussage 94 Betroffene sexuellen Missbrauchs bekannt. Davon sollen bereits 80 „Leistungen in Anerkennung des Leids“ erhalten haben.

Die Entschädigungszahlungen für den “Freikauf“ lagen zwischen 1000 und 10.000 €. Insgesamt wurden bislang 330.000€ ausgezahlt. Welch ein Hohn in Anbetracht des Leids zutiefst entwürdigter Menschen.

Zumal zu erahnen ist, dass die Hälfte aller Fälle ohne Antrag auf Entschädigung nicht einmal entdeckt worden wäre.

Der Aachener Bischof Helmut Dieser und sein Glaubwürdigkeitsproblem

Wenig glaubwürdig erscheint hierzu die Erklärung von Bischof Helmut Dieser:

„Der Schutz der Institution darf nie wieder Vorrang haben vor dem Schutz der Opfer. Wir wollen im Bistum Aachen schonungslos aufklären, wie individuelle Taten ermöglicht und wie Täter gedeckt wurden.“

Nun stellt sich mir die Frage: Was versteht der Bischof unter schonungsloser Aufklärung? Warum interessiert ihn nur die Vergangenheit? Der kriminelle Spuk geht doch weiter. Was hindert ihn daran, beim Anfangsverdacht schwerer Straftaten auf die von ihm mit der Untersuchung beauftragte und bezahlte Anwaltskanzlei zu verzichten, die ja auch Befragungen/ Vernehmungen(?) durchführen sollen? Eine Vorgehensweise, für die im normalen wie im klerikalen Lebensbereich alleine die Staatsanwaltschaft zuständig sein sollte. Denn strafrechtlich relevante Vorgänge gehören eigentlich nicht in die Zuständigkeit kirchenrechtlicher Verfahren!

Geht es mit dieser Form der vorermittelnden, parallelen Strafaufklärung in Wahrheit nicht nur darum, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, die in Verruf geratene Institution der Kirche vor Schaden zu bewahren?

Die externe “unabhängige“ Anwaltskanzlei wird bei angemessener Entlohnung seinem Auftraggeber nicht in den Rücken fallen.

Da sind doch freiwillige Zahlungen an potentielle Opfer die bessere Wahl, anonym und ohne öffentlichkeitswirksame Gerichtsverfahren. Entschädigungsverhandlungen mit potentiellen Opfern muss dann nicht die Kirche, sondern kann die vertrauenswürdige Anwaltskanzlei führen.

Unter diesen Umständen des Verschleierns, des Verschweigens und Vertuschens erscheinen mir alle internen Versuche der Aufarbeitung zum Scheitern verurteilt zu sein. Nur der direkte, transparente Weg über die “irdische Gerichtsbarkeit“ mit konsequenten Eingriffsmöglichkeiten von außen nach innen könnte wieder Vertrauen schaffen. Schade Herr Bischof. Mit Ihnen ändert sich gar nichts!