Lehrstunde für den Aachener OB Marcel Philipp in Sachen Demokratie und Rechtstaatlichkeit

Am 24. Januar 2018 findet im Aachener Rathaus die jährliche Haushaltsdebatte statt. Zu dieser Haushaltsdebatte ist wie jedes Jahr mit einem verstärkten Besucheraufkommen und einer erhöhten Teilnahme von Pressevertretern zu rechnen.

Wie in den letzten beiden Jahren praktiziert hatte der Aachener Oberbürgermeister beabsichtigt, auch in diesem Jahr nur die Sprecher der im Rat vertretenen Fraktionen zu bevorteilen. Nur diese Sprecher sollten “par ordre du Philipp“   privilegiert werden, sich vom eigens aufgebauten Rednerpult besonders deutlich und öffentlichkeitswirksam den Aachener Bürgern präsentieren zu können.

Wieder einmal sollte der bürgernahe Oppositionspolitiker Markus Mohr (AfD) als Gruppensprecher der “Allianz für Aachen“ ein Schattendasein fristen und von seinem zugewiesenen Ratsplatz reden.

Diese Vorgehensweise rügte ich bereits letztes Jahr mit deutlichen Worten. Diese Rüge wurde in der Niederschrift von der Sitzung des Rates der Stadt Aachen vom 25.01.2017 (öffentlicher Teil) wie folgt protokolliert:

“Ratsherr Palm, Allianz für Aachen, wird der Niederschrift nicht zustimmen. Er moniert die Ungleichbehandlung von Ratsherrn Mohr gegenüber den Fraktionsvorsitzenden. So habe Herr Mohr seine Haushaltsrede vom Platz aus halten müssen und sei darüber hinaus nur mit einem Satz erwähnt, wohingegen die übrigen Haushaltsreden der Niederschrift als Anlage beigefügt worden seien. Der Vertreter einer in Opposition stehenden Ratsgruppe werde damit abqualifiziert. Dass der Oberbürgermeister so verfahre, verdeutliche in erschreckender Weise, wie man in einem Stadtparlament grundgesetzlich geschützte Rechte zur Gleichbehandlung und Chancengleichheit schleifen dürfe. Die Januarsitzung um die wichtigste Debatte des städtischen Haushalts sei sicherlich keine Sternstunde für Rechtstaatlichkeit und Demokratie. Er fragt, ob man tatsächlich wieder das Verwaltungsgericht bemühen müsse, um in Aachen demokratische Verhältnisse wiederherzustellen?“

Um genau dieses zu vermeiden (die Bemühung des Verwaltungsgerichts) wandte sich die Ratsgruppe mit Schreiben vom 29.11.2017 an den Aachener Oberbürgermeister.

Der Antrag lautete in Kurzform:

Der AfD Politiker, Ratsherr Mohr, möchte am 24. Januar 2018 einen Redebeitrag zur Haushaltsdebatte einbringen und hierfür das Rednerpult im Ratssaal verwenden.

Die Antwort hierauf vom 22.12.2017 war an Arroganz und rechtlicher Fehleinschätzung nicht zu überbieten:

“ Ihr Schreiben vom 29.11.2017 habe ich zur Kenntnis genommen. Nach Rücksprache mit Herrn Oberbürgermeister Philipp kann ich Ihnen mitteilen, dass – wie in den Vorjahren – auch in der am 24.01.2018 anstehenden Haushaltsdebatte im Rat der Stadt wieder die Sprecher der sechs Fraktionen das Wort vom Rednerpult ergreifen können.

Alle anderen Ratsmitglieder, die einen Redebeitrag zum Thema Haushalt leisten möchten, können dies gerne von ihrem jeweiligen Platz im Ratssaal aus tun.“

Mit freundlichen Grüßen

Christoph Berg

Stadt Aachen,

Fachbereich Verwaltungsleitung


Den um Chancengleichheit bemühten Ratsherren Mohr und Palm blieb nun nur noch der Weg über das Verwaltungsgericht Aachen. Mit professioneller anwaltlicher Hilfe wurde aufgrund der zeitlichen Dringlichkeit Eilrechtsschutz beim Verwaltungsgericht Aachen wegen des oben geschilderten Kommunalverfassungsstreitverfahrens beantragt.

Am Mittwoch, dem 17. Januar, berichteten dann die Aachener Nachrichten (AN) unter der Rubrik “KURZ NOTIERT“:

Haushaltsdebatte

Alle dürfen vorne reden

Aachen. Während der Ratssitzung am Mittwoch, 24. Januar, dürfen alle im Rat vertretenen Parteien ihre Haushaltsreden vom Rednerpult aus halten.

Markus Mohr (AfD) hatte Klage beim Verwaltungsgericht eingereicht, weil er sich nach eigenen Angaben vom Oberbürgermeister benachteiligt fühlte. Anders als die Parteien mit Fraktionsstärke hatte er in den vergangenen beiden Jahren nur von seinem Platz aus reden dürfen. Gestern teilte die Stadtverwaltung auf Nachfrage mit:

Nach internen Abstimmungen habe man Herrn Mohr mitgeteilt, dass er seine Haushaltsrede von vorne halten dürfe, wenn er wolle. Das gelte für alle Parteien.


Kommentar 

„Demokratie kann doch so einfach sein. Wieder einmal hat der Aachener Oberbürgermeister gezeigt, dass er als Aachener Verwaltungschef überfordert und untauglich ist. Man muss kein Jurist sein, sondern nur ein durchschnittlich intelligenter Mensch, um die im Grundgesetz garantierten Rechte zu verinnerlichen und umzusetzen. In diesem Fall geht es um nicht mehr als Chancengleichheit für alle Parteien, um fairen politischen Wettbewerb.

Oberbürgermeister Philipp hat die Klage unserer Ratsgruppe unabwendbar gemacht. Schließlich wurden rechtstaatliche Grundprinzipien verletzt.

Aus der unbedarften Sicht eines Nichtjuristen könnte man im Vorgehen unseres Stadtoberhaupts Amtsmissbrauch oder gar Willkür erkennen. Warum sollte der Ratsgruppensprecher Markus Mohr (wieder einmal) nicht vom Rednerpult aus sprechen dürfen? Könnte es sein, dass man unliebsame Opposition verhindern wollte, zumindest aber deren Wahrnehmung beeinträchtigen?

Nach dem Motto „was brauchen wir denn Opposition, wir haben doch schon Demokratie“?

Erst nachdem OB Philipp gerichtlich aufgefordert wurde, seine Entscheidung rechtlich zu begründen, dämmerte ihm, dass er mal wieder auf dem falschen Gleis stand.

Also zeigte er Turnerqualitäten und bot seine Kür auf: Rolle rückwärts mit Ansage!  Nach internen Abstimmungen (so die AN) darf Mohr nun auch vom Rednerpult sprechen.

Die Klage ist somit vom Tisch. Was bleibt sind die Kosten des Verfahrens und die Erkenntnis, mit OB Philipp einen Stadtobersten zu haben, der zwingend fachmännischer Betreuung bedarf. An guten Verwaltungsmitarbeitern fehlt es unserem OB jedenfalls nicht.